In den letzten paar Jahren wurde die 1,4 km lange Eisenbahnstraße im Leipziger Osten von den Boulevard-Medien offiziell zum Brennpunkt erklärt, 2013 durch Pro7 sogar zu „Die schlimmste Straße Deutschlands“.
„Drogenhandel und Schießereien sind in einer kleinen Straße in Leipzig an der Tagesordnung.
Wir haben uns für 24 Stunden dorthin begeben und nach Antworten gesucht.“
In der Mitte des 19. Jahrhundert war die Straße Teil der 115 Kilometer langen Bahnstrecke zwischen Leipzig und Dresden. Es fuhr in der Tat eine Eisenbahn, bis das Gleisbett in den Norden verlegt wurde.
Seit dem 20. Jahrhundert entwickelte sich eine Handelssstraße und das Barrio wurde nach der Industrialisierung zum Viertel für die „arbeitende Klasse“: gekennzeichnet durch einfaches Wohnen mit hoher Bevölkerungsdichte, hohen Industrieanteil, wenig Grünflächen und einer schnellen, pragmatischen Infrastruktur.
Bis zur Wende war die Eisenbahnstraße eine der besten Einkaufsstraßen Leipzigs. Dort gab es alles das, was man sonst nicht bekam. Auch erfolgte zur Zeit eine Wohnraumzuweisung für so genannte „Sozialfälle“ oder „Straffällige“.
In den 90er Jahren dann erlebte der Stadtteil einen gravierenden Rückgang der Anwohner. Seit vielen Jahren nun sollen verschiedene Förderprogramme helfen, bei: „sozialen Projekten“ / „der Umgestaltung der Eisenbahnstraße“ / „der Umgestaltung des Freizeitparks Rabet“ / „dem Rückbau und Grüngestaltung an der Wurzner Straße“.
Außerdem gibt es seit August 2014 direkt am Rabet eine Außenstelle der Leipziger Polizei, wohlgemerkt von 10 bis 17 Uhr.
Medien + Mensch:
Stimulus-Response oder Uses- & Gratifications?
„Eisenbahnstraße, Paranoia ist nicht weit. 18:30 Uhr: Rush-Hour, Krippo-Zeit.“
VS.
Die Leipziger Filmemacher Arvid Wu & Curry Fiasko haben sich mit der gespalteten Thematik bzw. Wahrnehmung in einem kurzen Dokumentarfilm auseinander gesetzt, um die Andere – „die Rückseite“ – zu zeigen. Dabei haben sie sich „in den Höllenschlund gestürzt und unter Einsatz ihres Lebens ein kleines Portrait der Straße gedreht. Erstaunlicherweise fanden dabei weit weniger düstere Motive ihren Weg vor die Kamera als zu erwarten war.“
„Gewalt, Drogen und Ausländer – so jedenfalls spricht der Volksmund [..] Dass das Stadtbild seit einigen Jahren eine Renaissance erlebt, wissen nur wenige. Mittlerweile lockt es viele Studenten an die Eisenbahnstraße. Nicht nur wegen der billigen Mieten, sondern auch durch die entstehende Künstler- und Wächterhausszene.“
…Auch das Campusradio der Universität Leipzig, Mephisto 97.6, hatte sich schon 2012 dieser Thematik in einem interessanten Radio-Feature angenommen:
_www.mephisto976.de/news/alt/problemviertel-eisenbahnstrasse-20585
Eisenbahnstraße 2014 – Photographien #© vanRAW.
Die Eisenbahnstraße ist übrigens auch, durch die mittelalterliche Handelsstraße Via Regia, Teil des Jakobsweges. Die gesamte Pilgerstrecke verläuft vom ukrainischen Kiew bis nach Spanien und durchquert dabei das Barrio im Leipziger Osten.
#Diskurs: Was machen die Medien? Was machen die Menschen? Wie ist euer „Bild“!?
Kommentare
2 Antworten zu „Die Eisenbahnstraße in Leipzig – Gentrifizierung im Barrio Ost?“
Unsere Liebeserklärung: http://www.verborgenes-leipzig.de/de/Suche/Eisenbahnstrasse_1210.html?locations1214.id=163
Aber eine sehr zurückhaltende „Liebeserklärung“ :D
Der Artikel hier soll auch mehr zum Diskurs anregen (VS.), Seite aufzeigen.
Persönlich ist auch mehr Liebe da, darum ist der Artikel auch überhaupt erst hier entstanden.