So genannte „Free Open Air Partys“ sind die selbstgemachte Sahne auf der Erdbeertorte, wenn es um Veranstaltungskultur geht. Der Fall „umsonst und draußen“ ist bisher eine Grauzone im Veranstaltungs- & Beamtenzirkus.
In Berlin bspw. müssen für eine rechtmässig angemeldete Veranstaltung 14 Seiten Unterlagen ausgefüllt, mit 10 Ämtern koordiniert und 300€ bezahlt werden, um überhaupt erst einmal den Antrag gestellt zu haben. Das ganze Prozedere dauert dann in der Regel acht Wochen und die Wahrscheinlichkeit überhaupt im öffentlichen Raum eine Genehmigung für sein Anliegen zu bekommen, ist verschwindend gering.
Für solche spontane Versammlungen einzelner Communities aus dem Subkulturbereich, die sich über soziale Medien organisieren, ist gerade die Stadt Halle ein absolutes Vorbild. Hier können seit zwei Jahren kleine Partys, die bis zu 500 Personen erwarten, bis zu 24h vor Beginn der Veranstaltung über ein Online-Formular (digitale PDF!) angemeldet werden.
Genannt werden müssen nur Ort, Zeit, Art der Veranstaltung, die erwartete Besucherzahl sowie Antragsteller und der Veranstalter. Ausgewiesen als „Spielplatz“ wurden dafür die acht offiziell ausgewiesenen Grillplätze, dazu die Peißnitzbühne und das Gasometer.
Im Gegenzug verpflichtet sich der Veranstalter die Lärmgrenze von 103 Dezibel einzuhalten und das selbständige Aufräumen bis zum nächsten Tag, 10 Uhr – im Unterschied zur angemeldeten Form der Demonstration. Ein bürokratischer Traum: Das verkürzte Genehmigungsverfahren.
Kommerzielle Veranstaltungen, die mit Eintritt, Getränke- und Verkaufsständen oder gar Bühnenflächen auffahren, müssen natürlich weiterhin einen Antrag auf Genehmigung stellen.
„Kleine, spontane Versammlungen einer Subkultur-Community.
Keine Massenparties mit finanziellem Interesse.“
Christoph Busse, ein Kulturwissenschaftler an der Hochschule Merseburg untersuchte in seiner Masterarbeit die Open Air Szene in Halle (Saale) und wie die „Spontanpartyverordnung“ dort ankommt (publiziert über das Berlin-Mitte-Institut):
„In der Stadt Halle (Saale) veranstalteten Szeneakteure der elektronischen Tanzmusik seit mehreren Jahren illegale Freiluftveranstaltungen, s. g. ‚Open-Airs‘, im öffentlichen Raum. Als der Trend aufkam und selten praktiziert wurde, fielen diese unangemeldeten Veranstaltungen den Ordnungshütern kaum auf. Mit zunehmender Anhängerschaft und der immer größeren Verbreitung des Kultes, reagierte die Stadt mit einer exekutiven Unterbindung der Spontanpartys. Die Szene konterte darauf mit politischem Protest, ganz nach dem Motto „You Gotta Fight for Your Right to Party!“ und überzeugte die Regierenden, Maßnahmen einzuleiten, Freilufttanzveranstaltungen unbürokratisch durchführen zu können. […]
In der darauffolgenden Open-Air-Saison wurden in Halle wöchentlich Spontanpartys angemeldet und gefeiert, aber nicht von den Szeneakteuren der halleschen ETM-Szene, diese feiern weiterhin ihre illegalen Open-Airs an immer wieder neuen Locations im öffentlichen Raum. […]
Als Hauptgrund wird von allen Interviewpartnern genannt, dass das Gewerbetreiben mit der Verordnung untersagt wird, sie aber Getränke verkaufen müssen, um ein Open-Air realisieren zu können. Sie wünschen sich eine Änderung und schlagen verschiedene Modelle vor. Sie reichen von einer Pro-Gast-Abgabe an die Stadt, über Getränke gegen Spenden, bis zu DJ-Pauschalen für ehrenamtliche Tätigkeit in unzuversteuernden Kleinstbeträgen. […]
Berlin zieht natürlich nach: Die Clubcommission, der übergreifende Interesseverband und das Netzwerk der Berliner Musikwirtschaft, fordert zur Zeit 120 Orte für spontane Freiluft-Partys.
Außerdem wurden, in Zusammenarbeit mit der IHK Berlin, konstruktive Workshops organisiert, die potentielle Veranstalter innerhalb eines Tages ausgebildet haben – für den so genannten „Veranstalter-Pass“ und das „geplante Chaos“.
Im Vorfeld fand ein Dialogprojekt zwischen Interessierten und den Entscheidungsträgern zu konkreten Handlungsschritten in Berlin statt:
Auch in Leipzig organisiert sich die Szene immer noch selbst und sucht eigenen Plätze für Spontan-Partys oder die so genannten „Illegalen“. Wenn es zur Feststellung kommt, müssen eine ganze Menge Ordnungskräfte ausrücken, selbst wenn sich niemand beschwert.
Das ist bis heute immer noch nur Ermessenssache, aber die Stadt wächst natürlich…
Kommentare
2 Antworten zu „Super500: Spontan-Partys & Free Open Airs legalisieren!?“
Liebe Leute,
schöner Beitrag – falls Ihr Euch vernetzen oder Details über die Abläufe und Ansätze in Berlin wissen wollt, dann meldet Euch gerne.
Viele Grüße,
Thomas
Kulturersatz / Clubcommission Berlin / Projekt: Geplantes Chaos
Vielen Dank. Die Zeit wird kommen – nach der Abschlussarbeit. ;)
Grüße ins Dicke B.