Yap, das Ende des oftmals verflucht unterkühlten Aprils naht, und diese Kolumne will geschreiben sein. Jetzt gab es in diesem Monat erfreulicherweise keinen wirklichen Aufreger (zumindest keinen, der länger als zwo Tage über den digitalen Dorfplatz gehetzt wurde). Und so wird diese Kolumne nach dem ersten Sperrfeuer und der säuselpädagogischen Socialmediaschelte etwas versöhnlicher – Spass!
Motzen geht immer, denn ich als bockig-dickschädeliger Trotzkist verneige mich ja mindestens fünfmal täglich nach Mecker. Manche Oldschoolkatzen werden ja altersmilde und sehen über viele Ausfälle hinweg, aber ich bin nicht so. Ich hasse noch immer Menschen, die sich verkleiden.
Schrot? (Yap) Anlegen? (Yap) Feuern, aber gerne!
Ich bin tatsächlich ein wenig am fremdeln mit der aktuellen Szene. Vieles mag ich, besonders wenn Yassins mitmachen, zahllose Mütter an den Herd geschickt werden oder Agenturensöhne umgekloppt werden. Manches verstehe ich einfach nicht, ich mein‘ – Schlagersongs über Doppelmonde? (Nope), einiges ist mir auch einfach zu platt oder zu lieblos.
Schmuddelkinderkuscheln. (Nope). Meckern (Yap).
Klar, ich hab euch alle janz dolle lieb, Szeneinzestgeknutsche (Yap), aber trotzdem will ich mit dem meisten „headz by the book“ einfach nicht mehr spielen. Ihr seid wie McDonalds-Frass, seht aus wie Essen, seid aber miese Plaste. Als hätte ein Videoclip euch auf das Strassenpflaster erbrochen und nicht notversorgt.
Also, wo kann man denn den ersten Axthieb an dieser Brücke zwischen Head und Klischee ansetzen? Ma sehen. Ah, ja! Da. Stil. Ich so: Hab ich. Hatte ich immer. Du so: Liegengeblieben auf dem Stilparcour. Immer noch die gleiche, doofe, helmige Mütze, die gleichen doofen enblemstrotzenden Hoodies, das gleiche goofyeske Klamottenensemble.
Dein Kleiderschrank: Ein begehbarer Fundus von Ghettostreetware. Wow. Supertyp. Und. Jetzt. Noch. Haftengebliebene Ghettomalereien auf die aufgeblähten Unterarmen pinseln und Kiefer schieben. (Nope). Stilfragen. (Yap).
Stilbewusstsein ist wichtig.
Früher(tm) erkannte man Fakeheads wie dich ja irgendwie schneller, deine behelmten Vorfahren machten irgendwelche Laute mit dem offenen Schandmaul und alberne Dinge mit den Händen, waren komplett uniformiert. Austauschbare Klone, komplett uninformiert, wenn es um dies/das ging. Daher standen sie rum. Nicht einmal verspottet, sondern einfach stehengelassen.
Von dieser Kultur, der sie sich durch das blosse Überstülpen von irgendwelchen entstellten Marketingmaterialien zugehörig fühlten, verstanden sie nix. Fühlten nix. Blickten nix. Lackschnüfflerfreuden. Fehlanzeige. Chromefanatismus? Outlinelacknasenfachgesimpel – mit denen doch nicht! Die sozialen Dimensionen dieser Kunst – ausgeblendet. Aber artig Lichtbilder mit Ghettochic produzieren. Die Formsprachen der Buchstaben, die von stillen, anonymen Machern an die Züge geklebt wurden, nix für die Handwedelmodels. Kümmerte sie nicht. Sie kooften sich den neusten, buntesten Hoodie im Streetwarefachgeschäft, aber Lackspuren fand man auf denen nie. Weil von diesem Lack schrieb die Szenengazette auch irgendwie nix. Grafittis brachten doch die Bienchen, oder?
Kurzgesagt, die Eleganz der Farben oder die der sich auf dem Kopf drehenden Körper, man erkannte sie nicht. Das Feuer der Strasse. Die Liebe zur Strassengrazie. Beides Fehlte. Muss man als heutiger Fakehead ja auch nicht verstehen. Man kann sich ja verkleiden und Gossenkompetenz simulieren. Die Handwedelposen fix mit Mama einstudieren, ein paar böse Wörter in das bedeutungsschwere Alltagsblabla einstreuen und artig das janze Slangvokabelbuch aufsagen (und natürlich bööööööööse gucken) … brav! Würdest du es für dich alleine tun, wäre alles schnieke und ich müsste nicht wieder Klagegesänge anstimmen, aber nee, du und deine drölf virtuellen Kumpels müssen dies ja alles bei Twitter abladen. Die Socialmediagang. Hashtag: Zugekauftes Gefühl. Aber mal ehrlich, warum?
Im Dampflokzeitalter zählte der Chromeblitzer an der Brücke als Markierung, als stilles Statement. Von Heads für Heads. Eine kommunikative Kette, die nicht jeder blickte. Heute übernimmt dit Twitter. Fäkalverbalgrafitti in 140 Zeichen. „Musik ist Kunst“ sagen und dein Instagramkanal ist wichtiger als Deutschland? Sachste? Ja? Ok, ich erbreche mich kurz in deinen total duften Jutebeutel mit Dreieckchen und Miezekatzen drauf, und dann akzeptiere ich.
Aber mal unter uns (dit mit dem Beutel tut mir aufrichtig leid): Warum willst du so unbedingt Hip Hop sein, wenn du ihn nicht einmal verstehst? Deine Schrumpfform ist nicht Hip Hop, sondern Schmutz. Dieser grenzdebile, hausbesuchende, asselige Alkiprollo-Graurückenhusten ist Proletenschlager auf Beatbasis – maximal. Und leider dudelt der Schmutz jetzt im Radio, im Auto vom Nachbarproll und auch bei dir, aber weisste was?
Anno dazumal definierten IAM das Gegenpaket zum Schmutz sehr prägnant „La mode, les codes, le style et l’élégance / Les prods, les pas, les techniques et les danses“ oder eingedeutscht:
„Hip Hop lebt,
wenn sich auch dein Arsch mitbewegt“
Tl;dr:
Hört endlich auf euch als Heads zu verkleiden, seid es oder lasst es. Dreht euch ma aufm Kopf und malt doch lieber mal kommunikative Ketten in Chrome und schaltet dafür Chrome ab, dann klappt dit auch mit diesem Hip Hop fühlen. Versprochen!
[Gastkolumne]
Der digitale Flaneur ist eine originale Oldschoolschleichkatze, straight outta Berlin-Neukölln.
Er fand Torch bereits vor Savas antik. Chillt immer noch mit A E I O U und hat schon mit Flashpunks herumgetobt als die Menschen noch seltsame Hüte und Uniformen trugen. Ein straighter Anhänger der Silonation, der schon den ein oder anderen Westwind geschnuppert hat. Inhaber eines grünen Passes mit einem golden Wookie drauf.„Der Titel ist ein kleines Spielchen mit der Zuordnung von Worten. Nicht The State of the Art, also der Stand der Kunst, sondern The Art Of The State – also die Schönheit des Punches steht im Zentrum.“
Aufzufinden ist er in diesem Internetz unter @digitaleflaneur. Ab und an schreibt er auch wortreich auf derdigitaleflaneur.blogspot.de.